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Nachhaltigkeitskriterien in der Ausschreibung integrieren

Aufgrund des hohen Auftragsvolumens der öffentlichen Hand von circa 350 Milliarden Euro jährlich haben öffentliche Einkäufer nicht nur eine Vorbildfunktion, sondern auch die Möglichkeit, den Markt in Richtung Nachhaltigkeit zu beeinflussen. Was es bei der Integration von Nachhaltigkeitskriterien in der Ausschreibung zu beachten gilt, finden Sie hier noch mal zusammengefasst.

Der rechtliche Rahmen zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien in der Ausschreibung

Unabhängig vom Auftragswert ist es in allen Vergabeverfahren möglich, Nachhaltigkeitskriterien für die ausgeschriebenen Produkte oder Dienstleistungen zu integrieren. So erlaubt es das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), soziale und umweltbezogene Kriterien in das Vergabeverfahren mit einzubeziehen (§ 97 Absatz 3 GWB). Wichtig ist nur, dass Grundsätze der Transparenz, Gleichbehandlung, Niederlassungsfreiheit sowie des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs eingehalten werden.

Der Vergabeverordnung zufolge (§58VgV Abs. 2) sind unter Nachhaltigkeitskriterien auch soziale, ökologische und ökonomische Aspekte zu verstehen. Dazu gehören „die Qualität der Lieferung bzw. Leistung, einschließlich des technischen Werts, der Ästhetik, Zweckmäßigkeit, Zugänglichkeit der Leistung insbesondere für Menschen mit Behinderungen, ihrer Übereinstimmung mit Anforderungen des „Designs für Alle“, soziale, umweltbezogene und innovative Eigenschaften sowie Vertriebs- und Handelsbedingungen.“

Welche Eigenschaften genau zu berücksichtigen sind, hängt zunächst von den Anforderungen an den Auftragsgegenstand ab. Diese können je nach Produktkategorie unterschiedlich ausfallen. Während ein wichtiges Umweltkriterium bei Reinigungsprodukten beispielsweise eine fest verbundene Dosiervorrichtung ist, entfällt dieses bei der Beschaffung von Büromaterialien. 

Darüber hinaus gibt es verschiedene Möglichkeiten, Nachhaltigkeitskriterien in der Ausschreibung zu integrieren. 

Wie Nachhaltigkeitskriterien bei der Ausschreibung zu berücksichtigen sind

Je nach Produktgruppe sind von der verantwortlichen Kommune, dem Bundesland oder auf Bundesebene bereits bestimmte Nachhaltigkeitskriterien für die Ausschreibung vorgegeben. Viele der veröffentlichten Dokumente – wie die Leistungskataloge des Umweltbundesamtes – stützen sich auf die Kriterien von Umweltzeichen wie dem Blauen Engel. Jedoch gibt es mittlerweile Möglichkeiten, die weit über die ökologischen Anforderungen des Blauen Engels hinausreichen, wie zum Beispiel das Cradle to Cradle-Siegel. Dieses verfolgt eine deutlich umfassendere Nachhaltigkeitsstrategie

Nachhaltigkeitskriterien lassen sich zudem in verschiedenen Stufen des Beschaffungsprozesses integrieren. Das Land Baden-Württemberg beispielsweise gibt hier folgende Empfehlungen: 

Betreffen die Kriterien unmittelbar die Produkteigenschaften, sollten sie in die Leistungsbeschreibung aufgeführt werden. Beziehen sie sich allerdings eher auf die Vertragsausführung – zum Beispiel Umweltbelastungen im Produktionsprozess zu reduzieren – sollten diese Anforderungen als verbindliche Auftragsdurchführungsklauseln aufgenommen werden.[1]

Mit der Wahl der Verfahrensstufe geht die Entscheidung zwischen Bewertungs- und Mindestkriterien einher. Letztere sind verpflichtend, das heißt, dass Angebote auszuschließen sind, wenn sie die Kriterien nicht erfüllen. Ein Beispiel für ein Mindestkriterium ist das Verbot von bestimmten Schadstoffen. Bewertungs- oder Zuschlagskriterien haben im Vergleich dazu die Intention, Produkte oder Dienstleistungen hinsichtlich unterschiedlicher Kriterien zu vergleichen. Beispiele für Bewertungskriterien sind ein hoher Recyclinganteil, ein geringer Energieverbrauch oder Kreislauffähigkeit. Wichtig ist hier, dass Sie die Bewertungskriterien einschließlich ihrer Gewichtung in der Ausschreibung veröffentlichen, damit die Anbieter ihre Angebote entsprechend optimieren können.

Als Hilfestellung für die Umsetzung nachhaltiger Beschaffungsmaßnahmen gibt es eine Vielzahl von Leitfäden, die von verschiedenen Institutionen – wie dem Umweltbundesamt, der Europäischen Union oder den Vereinten Nationen – herausgegeben wurden. Diese weisen aufgrund abweichender inhaltlicher Schwerpunkte jedoch zum Teil große Unterschiede auf. Manche Dokumente beziehen sich lediglich auf bestimmte Branchen oder Produkte sowie Dienstleistungen. Innerhalb der letzten neun Jahre gab es beispielsweise allein acht unterschiedliche Leitfäden zur nachhaltigen Beschaffung von Reinigungsmitteln. Es scheint daher nachvollziehbar, dass bei öffentlichen Einkäufern oder in den Vergabeinstitutionen Unsicherheit darüber herrscht, wie sie Nachhaltigkeitskriterien rechtssicher ausschreiben und als Eignungs- beziehungsweise Zuschlagskriterien aufnehmen können.

Manche dieser Leitfäden beziehen sich zudem nicht auf die neuesten Erkenntnisse. Um dem gegenwärtigen Entwicklungsstand gerecht zu werden, bedarf es beispielsweise für den derzeit geltenden Leitfaden zur nachhaltigen Beschaffung in der Reinigung des Umweltbundesamtes einer Aktualisierung. Hierfür wurde vom Vergabe-Insider bereits eine Erweiterung entwickelt, die eine verlässliche Hilfestellung bietet, um mit unbedenklichen Inhaltsstoffen rechtskonform auszuschreiben und einzukaufen.


[1] https://www.bme.de/oeffentliche-hand-milliarden-an-innovationsvolumen-1625/
[2] Leitfaden Nachhaltige Beschaffung (PDF)