Zum Inhalt Zum Hauptmenü

Welches Umweltlabel ist wirklich nachhaltig?

Viele öffentliche Einkäufer wollen bei der Vergabe und Beschaffung verstärkt auf Nachhaltigkeit setzen. Doch oftmals ist es gar nicht so einfach, nachhaltige Produkte oder Hersteller zu erkennen.

Um bei der Ausschreibung nachhaltige Angebote zu erhalten, verlangen viele öffentliche Auftraggeber den Nachweis eines Umweltlabels. Diese sollen Produkte kennzeichnen, die hinsichtlich Qualität und Leistung vergleichbar mit Konkurrenzprodukten sind, aber eben umweltfreundlicher und nachhaltiger.

Umweltlabels haben dabei eine doppelte Funktion: Im ersten Schritt soll ein Label gewährleisten, dass die Anforderungen, die an ein „gelabeltes“ Produkt gestellt werden (z. B. die Einhaltung bestimmter Emissionsgrenzwerte bei der Herstellung), überhaupt die Bewertung des Produkts als „nachhaltig“ tragen (Bewertungsfunktion).

Im zweiten Schritt und daran anknüpfend kann mit der Vorlage eines Labels im Rahmen eines Vergabeverfahrens nach der Vergaberechtsreform 2016 auch der praktisch wichtige Nachweis erbracht werden, dass das betreffende Produkt die ausgewiesenen Anforderungen auch tatsächlich einhält (Nachweisfunktion).

Während die lange umstrittene Nachweisfunktion auf der Basis des geltenden Vergaberechts sichergestellt ist, stellt sich allerdings schon im ersten Schritt die vielfach unbeachtete, aber in der Sache höchst dringende Bewertungsfrage: Sind die Zertifizierungen wirklich zuverlässig und verdienen sie überhaupt das Prädikat „nachhaltig“? Bekommen öffentliche Einkäufer bei einem Produkt mit Umweltgütezeichen auch die „Nachhaltigkeit“, die versprochen wurde?

Umweltgütezeichen mit dem Anspruch der Nachhaltigkeit

EU Ecolabel, Blauer Engel, EMAS, Cradle to Cradle – die Zahl der Ökolabels ist lang und nicht jedes Zertifikat hält unbedingt das, was sich öffentliche Beschaffer davon versprechen. Denn jedes Gütezeichen hat andere Kriterien und diese setzen nur selten bei einer echten Nachhaltigkeit im Sinne einer Kreislaufwirtschaft sowie Ökoeffizienz und gleichzeitigen Ökoeffektivität an.

So betrachten manche Umweltlabels nur die Herstellung, ignorieren aber, was mit dem Produkt oder der Produktverpackung nach der Nutzung passiert. Wieder andere prüfen zwar die verwendeten Rohstoffe kritisch, ignorieren jedoch die eigentliche Nutzungsphase.

Damit Sie nicht nur den Überblick über die verschiedenen Labels behalten, sondern zukünftig auch wissen, auf welche Umweltzeichen Sie qualitativ gesehen bei der öffentlichen Ausschreibung setzen sollten, haben wir Ihnen hier die wichtigsten Fakten zu Umweltlabels bei der öffentlichen Vergabe zusammengefasst.

Umweltgütezeichen als Orientierung für den nachhaltigen Einkauf

Umweltsiegel dienen der leichteren Orientierung beim Vergleichen von Produkten und als Nachweis von Nachhaltigkeit. Doch die meisten Ökolabels geben noch keine Garantie für einen umfassenden Nachhaltigkeitsstandard. So greifen die meisten Siegel nur bestimmte Nachhaltigkeitskriterien wie Rohstoffproduktion, Herstellung, Transport, Nutzungsphase oder End-of-Life auf, und nicht sämtliche Dimensionen der Nachhaltigkeit. Dadurch ergeben sich zwischen den Nachhaltigkeitsanforderungen der verschiedenen Gütezeichen oft erhebliche Unterschiede.

Die wichtigsten Umweltlabels für die öffentliche Vergabe

Für den deutschen Raum haben sich vor allem die Gütezeichen der Blaue Engel und das Europäische Umweltzeichen durchgesetzt.

Der Blaue Engel

Das erste produktbezogene Umweltzeichen, das es weltweit gibt, ist der Blaue Engel. Es wurde 1978 von der „Jury Umweltzeichen“ eingeführt. Heute sind mehr als 11.000 Produkte in über 100 Kategorien mit dem Blauen Engel gekennzeichnet. Um den Blauen Engel zu erhalten, müssen Produkte verschiedene Kriterien bei der Herstellung, beim sparsamen Einsatz von Rohstoffen, bei der Lebensdauer und Entsorgung erfüllen. Darüber hinaus werden auch Gebrauchstauglichkeit sowie Gesundheits- und Arbeitsschutz überprüft.


www.blauer-engel.de

Europäisches Umweltzeichen

Das von der Europäischen Kommission herausgegebene Europäische Umweltzeichen wird auch als „EU Ecolabel“ bezeichnet oder manchmal kurz „Euro-Blume“ genannt. Es umfasst ökologische und gebrauchstaugliche Kriterien sowie Anforderungen. Dazu zählen beispielsweise die Einhaltung verschiedener Grenzwerte, der Ausschluss gefährlicher Stoffe oder bestimmte Anforderungen an die Verpackung. So sollen mit dem Europäischen Umweltzeichen Produkte und Dienstleistungen gekennzeichnet werden, die verglichen mit ähnlichen Produkten als umweltfreundlicher oder gesünder gelten.


www.eu-ecolabel.de

Doch wirkliche Nachhaltigkeit garantieren die genannten Ökolabels nicht. Stattdessen sind sie nur ein Versprechen dafür, dass manche Prozesse oder Produktions- und Beseitigungsschritte ein bisschen besser oder weniger schädlich gemacht werden. Aber „ein bisschen weniger schlecht“ heißt eben noch lange nicht „gut“.

Wer wirklich nachhaltig handeln und einkaufen möchte, der muss die Produkte aus einem viel weiteren Blickwinkel betrachten und in kompletten Produktkreisläufen denken. Ein vielversprechender Schritt in diese Richtung bildet das Ökolabel Cradle to Cradle.

Cradle to Cradle

Das Cradle to Cradle Siegel wird von einer gemeinnützigen Organisation, dem „Cradle to Cradle Products Innovation Institute“, vergeben. Es werden dabei nur solche Produkte ausgezeichnet, die aus gesundheitlich unbedenklichen, umweltsicheren und kreislauffähigen Materialien bestehen. Bei der Zertifizierung wird die komplette Wertschöpfungskette mit in die Bewertung einbezogen. Hauptziel dieses Siegels ist es, ein Wirtschaftssystem ohne Abfall voranzutreiben.


www.c2ccertified.org

Vorbild für das Cradle to Cradle Modell ist die Natur selbst. Im natürlichen Lebenszyklus von Pflanzen oder Tieren gibt es keinen Abfall im eigentlichen Sinne. Alles kann in die Natur zurückgeführt und wiederverwertet werden. So hat auch nach dem Lebensende alles noch einen Nutzen.

Angewendet auf Produkte und Konsumgüter bedeutet das: Jeder Bestandteil eines Produktes, also auch die Verpackung, wurde ohne umweltschädliche Stoffe und möglichst mit erneuerbaren Energien hergestellt. Nach seiner Nutzung kann es entweder biologisch abgebaut oder in einen unendlichen Materialkreislauf zurückgeführt und so wiederverwendet werden. Abfall entsteht damit erst gar nicht.

Ein solches Konzept macht andere Gütesiegelkriterien wie „sparsamer“, „besser“ oder „ein bisschen weniger schlecht“ bereits obsolet. Mit dem Denken und Handeln in Kreisläufen steht die Cradle to Cradle Zertifizierung dafür, dass nicht einfach nur schlechte Dinge weniger schlecht getan werden, sondern komplett entfallen – und gleichzeitig die guten Dinge weiter gefördert werden.

Damit ist Cradle to Cradle das derzeit konsequenteste Konzept für nachhaltige Produkte – und es kommt zudem ohne Verzicht oder Einschränkungen aus.

Warum ein einziges Umweltsiegel oft nicht ausreicht

Klingt nach einer guten Lösung. Doch bisher sind leider erst wenige Produkte auf dem deutschen oder europäischen Markt mit Cradle to Cradle zertifiziert. Für die öffentliche Vergabe empfiehlt es sich daher, ein gängiges Umweltsiegel wie den Blauen Engel mit dem Cradle to Cradle Siegel oder vergleichbaren Anforderungen zu ergänzen. Damit lässt sich eine ökoeffektive Kreislaufwirtschaft nach dem Cradle to Cradle Prinzip fördern.

Wirklich nachhaltig sind nur die Umweltsiegel, die auch das Produktende mitbedenken

Gütezeichen oder Umweltlabels sind ein gutes Werkzeug, um nachhaltige Produkte zu finden und zugleich national wie international eine nachhaltige Produktion zu fördern. Bei der Auswahl des geeigneten Ökolabels ist es jedoch wichtig, sich im Vorfeld darüber Gedanken zu machen, welche Kriterien im Sinne der Nachhaltigkeit zu erfüllen sind.

Am nachhaltigsten sind die Produkte, mit denen erst gar keine Umweltbelastungen oder Abfälle entstehen. Damit das funktioniert, muss bei der Produktentwicklung in Kreisläufen gedacht und bereits bei der Entwicklung eines Produktes, dessen Ende mit einbezogen werden.

Bisher betrachtet lediglich das Cradle to Cradle Siegel diesen ganzheitlichen Ansatz beim Thema Nachhaltigkeit. Während Cradle to Cradle in China, den USA, Dänemark und den Niederlanden schon längst auf dem Vormarsch ist, haben in Deutschland bisher nur wenige Hersteller ihre Produkte mit Cradle to Cradle zertifizieren lassen.

Hier ist die öffentliche Hand in der Verantwortung, nachhaltige, mit Cradle to Cradle zertifizierte Produkte verstärkt einzufordern, um so die ökologische Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit in Deutschland zu fördern.

Weiterführende Informationen zu Umweltlabels und zertifizierten Produkten finden Sie auch auf www.kompass-nachhaltigkeit.de