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Analyse der laufenden
öffentlichen Ausschreibungen im Reinigungs­sektor – Ergebnisse Teil 2

Nachdem im ersten Teil der Reihe Untersuchungsergebnisse von 1.151 Vergabeverfahren dargelegt wurden, hat die Universität der Bundeswehr München die Unterlagen von 160 dieser Vergabeverfahren näher betrachtet. Analysiert wurden Ausschreibungen für Reinigungsleistungen, Reinigungsmittel und Reinigungsgeräte, die von 120 verschiedenen öffentlichen Auftraggebern im Zeitraum von März 2020 bis März 2021 veröffentlicht wurden.

Wer schreibt was aus?

Untersucht wurden Auftragsbekanntmachungen zu Beschaffungen, deren Budget oberhalb der EU-Schwellenwerte lag und die daher über das elektronische Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurden. Insbesondere wurden Ausschreibungen von öffentlichen Auftraggebern berücksichtigt, die besonders häufig Reinigungsleistungen, Reinigungsmittel oder Reinigungsgeräte ausschreiben; in der Annahme, dass diese öffentlichen Auftraggeber bereits umfangreiche Erfahrungen mit derartigen Ausschreibungen haben. Zudem wurden gezielt Ausschreibungen von öffentlichen Auftraggebern ausgewählt, die in ihren Vergabekriterien Nachhaltigkeit bereits berücksichtigen. Von den Auftraggebern der 160 Ausschreibungen in der untersuchten Stichprobe agieren 82 (51 %) auf kommunaler Ebene, 42 (26 %) auf Bundesebene und 20 (13 %) auf Landesebene. Die übrigen 17 (11 %) konnten keiner Ebene zugeordnet werden.

Mit 11 Ausschreibungen war die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben am häufigsten vertreten, gefolgt von der Finanzbehörde Hamburg (5 Ausschreibungen) sowie von dem Freistaat Bayern und der Stadt Frankfurt mit jeweils 4 Ausschreibungen. Von den restlichen inkludierten öffentlichen Auftraggebern wurden je eine bis drei Ausschreibungen analysiert.

Dschungel“ der Ausschreibungsunterlagen

Bereits auf den ersten Blick wurde die Fülle an Unterlagen ersichtlich, die die Bieterunternehmen durcharbeiten müssen, um ein Angebot abgeben zu können. Insgesamt enthielten die untersuchten 160 Ausschreibungen über 4.200 Dokumente mit insgesamt rund 25.700 Seiten. Eine durchschnittliche Ausschreibung enthält ca. 26 Dokumente mit rund 160 Seiten. Es konnte sogar eine Ausschreibung mit 212 Dokumenten identifiziert werden. Eine andere wiederum bestand aus lediglich 2 Dokumenten. Die Seitenzahl variierte zwischen 9 und 1.040 Seiten je Ausschreibung.

Bei der inhaltlichen Analyse der Unterlagen wurden 69 verschiedene Dokumententypen wie Leistungsbeschreibungen, Eigenerklärungen zur Bietereignung, zu Bietergemeinschaften oder Unterauftragnehmern oder auch Bewertungsmatrizen mit Vergabekriterien kategorisiert. Während einige öffentliche Auftraggeber alle relevanten Unterlagen in einer PDF-Datei mit dem Namen „Vergabeunterlagen“ veröffentlichten, stellten andere jedes Dokument einzeln zur Verfügung. Eindeutig benannte und klar zu unterscheidende Unterlagen, wie sie von einigen Auftraggebern bereitgestellt wurden, erleichtern es den Bieterunternehmen sicherlich, den Überblick zu behalten. Andere Unterlagen bestanden jedoch aus einem sprichwörtlichen „Dschungel“ an Dokumenten, mit Benennungen wie „1“, „2“, „3“, „4“, in denen man sich nur schwer zurechtfindet. Zudem fanden sich immer wieder Dateiformate wie „aidf“ in den Unterlagen, die ohne spezielle Installationen nicht geöffnet werden können.

Textstellen und Vergabekriterien zur Nachhaltigkeit

Insgesamt konnten in 153 der 160 Verfahren Textstellen zur Nachhaltigkeit gefunden werden. In diesen 153 Verfahren konnten wiederum mehr als 1.330 Textstellen mit einem Bezug zu Nachhaltigkeit identifiziert werden. Die meisten davon (669) dienten der Spezifikation des Bedarfes und waren überwiegend in den Leistungsbeschreibungen enthalten.

Weitere spezifizierende Umweltkriterien waren in Leistungsverzeichnissen, Eigenerklärungen und Produktdatenblättern zu finden. Die 331 Kriterien in den Vertragsunterlagen bezogen sich auf die letzte Verfahrensstufe der Ausführungsbedingungen. Die Qualifikation des Bieterunternehmens bezüglich Nachhaltigkeit wurde in 276 Textstellen, überwiegend in Eigenerklärungen und Leistungsbeschreibungen, spezifiziert.

Nur 54 der 1.330 Erwähnungen von Nachhaltigkeit in den Vergabekriterien betrafen die eigentlichen Zuschlagskriterien. Diese 54 Zuschlagskriterien verteilten sich auf 27 verschiedene Vergabeverfahren und nahmen im Einzelnen Gewichtungen zwischen 0,59 % und 50 % ein. Im Mittelwert für alle 160 Verfahren floss Nachhaltigkeit mit einer Gewichtung von nur 2,37 % in die Entscheidung für einen Bieter mit ein.

Verteilung des Vergabekriteriums „Nachhaltigkeit“ auf die Verfahrensstufen

Inhaltlich betrachtet waren die Vergabekriterien zu Nachhaltigkeit insbesondere in den anderen Verfahrensstufen sehr allgemein gehalten. So bezogen sich 192 der 1.330 Kriterien generell auf gesetzliche Anforderungen in Bezug auf Umweltschutz, 146 beinhalteten lediglich einen allgemeinen Hinweis auf nachhaltige Reinigung und 146 forderten die Minimierung von Umweltauswirkungen.

Konkreter wurde es bei einigen Ausschreibungen, die beispielsweise ein Abfallsystem oder ein Umweltmanagement-Konzept als Vergabekriterium benannten oder bestimmte umweltgefährdende Inhaltsstoffe von Reinigungsmitteln ausschlossen.

Verteilung des Vergabekriteriums „Nachhaltigkeit“ bei der Beschaffung von Reinigungsleistungen nach Inhalt

Fazit: Unübersichtlichkeit erschwert Bewerbung; Vergabekriterien zu Nachhaltigkeit oft ungenau

Während einige öffentlichen Auftraggeber sehr übersichtliche und verständliche Ausschreibungen veröffentlichten, stellten andere die Bieterunternehmen schon mit der Vielzahl und Vielfalt an Unterlagen vor große Hürden. Aufgrund des Umfangs und der Heterogenität können diese nur mit relativ großem Aufwand gesichtet und ggf. bearbeitet werden. Um zu vermeiden, dass dieser Aufwand mögliche Bieter abschreckt und sich dadurch der Wettbewerb verkleinert, sollten die Unterlagen im Sinne beider Parteien so übersichtlich wie möglich gestaltet werden.

Nachhaltigkeit findet aktuell ihren Weg in die Ausschreibungsunterlagen, was entsprechende Textstellen in 96 % der Ausschreibungen belegen. In vielen Fällen blieben diese jedoch oberflächlich und stellten keine konkret ausformulierten Anforderungen an die Bieterunternehmen, sodass diese wiederum keinen Anreiz erhalten, sich mehr in Richtung Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft zu entwickeln. Hier würden insbesondere konkrete produkt- bzw. leistungsbezogene Kriterien weiterhelfen, bestenfalls mit Informationen zu den geforderten Nachweisen, um die Angaben der Bieterunternehmen überprüfbar und vergleichbar zu machen.