Nähere Betrachtung der Stakeholder in der öffentlichen Beschaffung – Teil 2
In unserem Artikel „Wer sind die Stakeholder der öffentlichen Beschaffung?” wurde bereits erläutert, dass die Integration von Nachhaltigkeit in der Vergabe nicht alleine den öffentlichen Einkäufern obliegt, sondern ein Zusammenspiel vieler verschiedener Akteure ist, welche anhand einer Stakeholderanalyse identifiziert werden können. In diesem Beitrag soll nun näher auf die beteiligten Positionen des beschaffenden Auftraggebers eingegangen sowie der Einfluss der Stakeholder auf den Nachhaltigkeitsgrad dargestellt werden.
Beteiligte Positionen der öffentlichen Beschaffung
Die Universität der Bundeswehr München hat eine Fallstudienanalyse durchgeführt, in deren Rahmen zehn öffentliche Auftraggeber zur Implementierung ökologisch nachhaltiger Beschaffung – am Beispiel von Reinigungsmitteln bzw. -leistungen – befragt wurden. Bei zwei der befragten Auftraggeber konnten sogar die Fachabteilungen für Gebäudereinigung involviert werden. Um in diesem Zuge eine Stakeholderanalyse durchführen zu können, stellte die Universität der Bundeswehr München die Einkaufsszenarien der öffentlichen Auftraggeber nach, wobei die folgenden fünf Positionen bestimmt werden konnten:
- Bedarfsträger
- Fachamt/Fachabteilung/Leitstelle
- Einkauf
- Vergabestelle
- Zentrale Vergabestelle
Gruppe 1: Bedarfsträger & Fachabteilungen
Anhand der genannten Positionen können zwei Gruppen abgeleitet werden: Die erste Gruppe bilden die Bedarfsträger sowie die Fachabteilungen, die zweite Gruppe wird vom Einkauf repräsentiert. Der Bedarfsträger kann, exemplarisch für die Beschaffung von Reinigungsmitteln und Reinigungsleistungen, beispielsweise der Hausmeister eines zu reinigenden Gebäudes sein, der Direktor einer Schule oder auch der Vorsteher eines Bahnhofs. Die zweite Position der ersten Gruppe, die Fachabteilung, kann als Dienstleister für die Bedarfsträger fungieren und dabei auch den Bedarf zur Reinigung über mehrere Bedarfsträger hinweg bündeln. Es kann allerdings auch vorkommen, dass die Fachabteilung für Gebäudereinigung gleichzeitig der Bedarfsträger ist, sie also beide Positionen der ersten Gruppe vereint.
Gruppe 2: Einkauf
Ähnliche Beobachtungen konnten bei der zweiten Gruppe, dem Einkauf, gemacht werden. Während in einigen Fällen der Einkauf mit der Vergabestelle zusammengelegt wurde, wurde an anderer Stelle eine Konstellation beobachtet, bei der es zusätzlich einen Facheinkäufer für Reinigungsdienste gab, welcher jedoch nicht die Aufgaben der Vergabestelle übernahm. Im Wesentlichen unterscheiden sich die beiden Konstellationen dadurch, dass der Facheinkäufer nach der Bedarfsmeldung durch den Bedarfsträger die Planung der Beschaffung sowie die Vorbereitung des Vergabeverfahrens so lange übernahm, bis er den Entwurf der Ausschreibungsunterlagen zur Überprüfung an die Vergabestelle weiterleitete. Diese übernahm wiederum die weitere Ausarbeitung des Vergabeverfahrens sowie deren Veröffentlichung und Durchführung. In anderen Fällen ist der Bedarfsträger oder die Fachabteilung für den Beschaffungsplan verantwortlich, die Erstellung der Ausschreibungsunterlagen liegt jedoch bereits in der Verantwortung der Vergabestelle.
Dass mehrere Vergabestellen innerhalb einer Organisation existieren, ist bei einem öffentlichen Auftraggeber durchaus möglich. Diese organisieren die Vergaben dann entweder eigenständig oder aber zusammen mit einer Zentralverwaltung. Welche der beiden Methoden Anwendung findet, ist letztlich abhängig vom Wert des Bedarfs oder vom Spezialisierungsgrad und der Aufteilung der Aufgaben untereinander. Je nachdem, wie die Organisationsstruktur aussieht, können unterschiedliche Anspruchsgruppen am Vergabeprozess beteiligt sein. Folgende Konstellationen konnten bei den befragten öffentlichen Auftraggebern beobachtet werden:
- Bedarfsträger (=Fachabteilung) ⇨ Vergabestelle (=Einkauf) (4x)
- Bedarfsträger ⇨ Fachabteilung ⇨ Vergabestelle (=Einkauf) (2x)
- Bedarfsträger ⇨ Einkauf ⇨ Zentrale Vergabestelle (2x)
- Bedarfsträger ⇨ Fachabteilung ⇨ Vergabestelle ⇨ Zentrale Vergabestelle (1x)
- Bedarfsträger ⇨ Vergabestelle (1x)
Die erste Konstellation, bei der der Bedarfsträger gleichzeitig die Position der Fachabteilung innehält und der Einkauf innerhalb der Vergabestelle angesiedelt ist, wurde viermal und somit am häufigsten genannt. Konstellationen 2) und 3) wurden jeweils zweimal genannt, je einmal kamen die Konstellationen 4) und 5) vor. Wie zu erkennen ist, sind in keinem der untersuchten Fälle alle fünf zuvor identifizierten Positionen getrennt voneinander eingebunden. Der Bedarfsträger wie auch die Vergabestelle sind in jedem Fall involviert – wenn auch in unterschiedlicher Form – wohingegen Fachabteilung und Einkauf lediglich teilweise vorhanden sind. Aufgrund der höheren Zahl der Standorte waren zentrale Vergabestellen nur bei großen öffentlichen Auftraggebern auf Bundes- und Landesebene vorhanden.
Einfluss der Stakeholder auf den Nachhaltigkeitsgrad
Der Fokus lag bei den geführten Interviews vor allem auf der Implementierung ökologisch nachhaltiger Beschaffung. Die Interviewpartner waren überwiegend Einkäufer der öffentlichen Auftraggeber, da sich die Einbindung der Bedarfsträger als schwierig herausgestellt hat – nicht zuletzt aufgrund der aktuellen Situation. Gemeinsam hatten alle Befragten, dass sie sich eine stärkere Integration nachhaltiger Beschaffung wünschen, allerdings scheint der Einfluss der Fachabteilung oftmals stärker zu sein. Das Vorhandensein einer solchen Fachabteilung kann den Interviews zufolge eine nachhaltige Beschaffung begünstigen, sie allerdings nicht garantieren. Dies ist daran erkennbar, dass diejenigen öffentlichen Auftraggeber mit einer stärkeren Implementierung allesamt eine gesonderte Abteilung für Reinigung oder Ähnliches aufweisen, andererseits jedoch jene Auftraggeber, welche ebenfalls über eine Fachabteilung verfügen, nicht automatisch die Implementierung nachhaltiger Beschaffung auch vermehrt umsetzen.
Bei der Beschaffung von Reinigungsleistungen hatte die Fachabteilung den größten Einfluss auf die Nachhaltigkeit, denn das dort vorhandene fachliche Know-how und die Expertise sind Voraussetzung für die eingehende Auseinandersetzung mit ökologisch nachhaltigen Fragestellungen. Bei den öffentlichen Auftraggebern, welche nicht über eine separate Abteilung für Reinigung verfügen, versuchten die Einkäufer die Entwicklung in Richtung Nachhaltigkeit auf Basis ihres individuellen Engagements voranzutreiben, beispielsweise durch die Unterstützung der Bedarfsträger mit Leitfäden. In diesen Fällen wurden als Nachhaltigkeitskriterium insbesondere jene Labels verwendet, bei denen Qualität oder Nachhaltigkeit bis zu einem gewissen Grad garantiert werden, ohne dass der Einkäufer über fundiertes Fachwissen verfügen muss.
Rückschlüsse auf die Aktionsebenen (Bund, Land, Kommune) der öffentlichen Auftraggeber lassen sich aus ihrem Vorgehen bezüglich nachhaltiger Beschaffung nur bedingt ziehen. Positive sowie negative Beispiele können für jede Aktionsebene identifiziert werden, der Nachhaltigkeitsgrad auf Bundesebene ist in der Gesamtbetrachtung allerdings höher als auf Landes- und Kommunalebene. Der höchste Nachhaltigkeitsgrad konnte bei einer Kommune festgestellt werden, allerdings ist diese auch die größte berücksichtigte Kommune. Daraus lässt sich schließen, dass die Größe einen positiven Einfluss auf die Umsetzbarkeit nachhaltiger Beschaffung hat, diese jedoch nicht zwingend garantiert.
Fazit: Wie sich der Nachhaltigkeitsgrad positiv beeinflussen lässt
In jedem Fall scheint der Nachhaltigkeitsgrad des Vergabeverfahrens in einem frühen Stadium des Implementierungsprozesses festgelegt zu werden. Daher ist es wichtig, den Einkauf bzw. die Vergabe so früh wie möglich mit einzubinden, um einen geeigneten Weg für das weitere Vorgehen festzulegen. Positiv wirkt sich außerdem eine intensive Kommunikation sowie eine transparente Zusammenarbeit zwischen Fachabteilung bzw. Bedarfsträger auf die Implementierung nachhaltiger öffentlicher Beschaffung aus.