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Die Messformel für den Erfolg nachhaltiger Beschaffung

Die nachhaltige öffentliche Beschaffung wird zunehmend bedeutender. Um im Hinblick darauf den Fortschritt der eigenen Organisation zu messen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Auch wenn die Schwerpunkte generell nach eigenem Belieben gewählt werden können, scheint es sinnvoll, gewisse Aspekte in die Fortschrittsmessung für den Erfolg nachhaltiger Beschaffung einzubeziehen. Empfehlungen und aktuell genutzte Möglichkeiten finden Sie hier.

Hinweise auf die aktuell genutzten Möglichkeiten einer Fortschrittsmessung zur Evaluation der Einführung und Verankerung nachhaltiger öffentlicher Beschaffung aus dem Jahr 2017 gibt der Bericht des „United Nations Environment Programme“. Die Fortschrittsberichte sind tendenziell politisch motiviert und folgen meist einer jährlichen Befragungslogik. Die Voraussetzungen für die Fortschrittskontrolle sollten in der Verwaltungsebene geschaffen werden. Als sinnvolle Messkategorien werden Prozesse, Ergebnisse und Auswirkungen auf das Gemeinwohl herangezogen. Dabei scheint eine enge Verzahnung zwischen Politik und Verwaltungshandeln geboten zu sein.

In zwei Teilbefragungen ging es darum, Regierungsvertreter auf der Politikebene und öffentliche Auftraggeber auf der Verwaltungsebene zu verschiedenen Aspekten zu befragen, um Unterschiede und Gemeinsamkeiten herauszufinden. [1]

Beteiligung vonseiten der befragten Regierungen

  • 27 von 41 befragten Regierungen gaben an, Aspekte der Nachhaltigkeit regelmäßig zu überwachen. Davon messen wiederum vier ihren Fortschritt anhand von Vereinbarungen, die in andere Richtlinien oder Regularien eingebettet sind. Demzufolge messen 23 der befragten Regierungen den Fortschritt reiner Nachhaltigkeitsmaßnahmen.
  • 16 der 23 nationalen Regierungen (70 %) überwachen ihre Nachhaltigkeitsmaßnahmen jährlich, 17 % der Antwortenden nur alle paar Jahre.
  • Das Überwachen und Bewerten der entsprechenden Zielvorgaben lässt sich bereits als erster Schritt des umweltpolitischen Engagements der nationalen Regierungen interpretieren. [2]

Drei wesentliche Ansatzpunkte für die Messung von Nachhaltigkeit

Die Ergebnisse der Befragung zeigen auch, wo die Schwerpunkte der Messung zum Erfolg nachhaltiger Beschaffung liegen:

  1. Einführung und Verankerung. Diesen Punkt hat nur rund ein Drittel der Antwortenden überhaupt hinterfragt. Sie überprüften folglich das „Wie“ der Einführung und Verankerung entsprechender Vorgaben und Prozesse.

Darunter sind beispielsweise Aktivitäten zu verstehen, die von einer Organisation vorgenommen werden, um Sustainable Public Producement (SPP), also die umweltfreundliche beziehungsweise nachhaltige Beschaffung im öffentlichen Sektor in die Organisationskultur und die tägliche Arbeit einzubauen.

  1. Ergebnisse der Beschaffungsaktivitäten. Bei 26 von 27 Regierungsvertretern stand im Mittelpunkt, inwiefern das Vergabeverfahren und die daraus resultierenden Verträge Aspekte der Nachhaltigkeit berücksichtigt haben. Ihnen ging es in erster Linie um das „Was“.

Dahinter verbergen sich „a) Beschaffungsprozesse, die Nachhaltigkeitskriterien beinhalten, b) nachhaltige Produkte, Dienst- und Bauleistungen, die beschafft wurden, c) Verträge mit der Beschaffung von nachhaltigen Organisationen und d) die direkte Erzeugung von Beschäftigungsmöglichkeiten“.

  1. Auswirkungen auf das Gemeinwohl. Welche Wirkung die angepassten Aktivitäten auf das Gemeinwohl haben, war bei der Evaluation für ein Drittel der Antwortenden von Bedeutung. Diese beschäftigten sich zum Beispiel mit der Frage, ob weniger CO2 oder Wasser verbraucht wird.

Dabei geht es um den tatsächlich durch die SPP-Anwendungen generierten ökologischen beziehungsweise sozialen Nutzen.

Die folgende Abbildung greift noch einmal die drei genannten Ansätze zur Fortschrittsmessung auf: [3]

Aussagen des Berichtes zur Datengrundlage der Fortschrittsmessung

  • Über die Hälfte (genauer: 56 % der Befragten) verwendet einen standardisierten Fragebogen, um die Berücksichtigung nachhaltiger Aspekte zu erfassen.
  • 44 % der Befragten nutzen elektronische Vergabeplattformen für die Datensammlung. Darunter können ausgewählte Messpunkte oder gar Daten aller potenziell möglichen Messpunkte des Beschaffungsprozesses einbezogen werden. Zielführend ist diese Methode jedoch nur bei einer systematischen Auswertung der Daten und der Weiterverwendung für korrigierende Eingriffe.
  • Welche Datenquellen verwendet werden, hängt von verschiedenen Faktoren ab wie beispielsweise der Kalkulationsform oder dem Messobjekt der jeweiligen Regierung. So legen Japan und Korea beispielsweise die beschaffte Anzahl an ökologischen Produkten und Dienstleistungen zugrunde, während Dänemark den Vorteil bezogen auf spezifische Fallstudien misst. [4]

Die folgende Abbildung zeigt die Gesamtheit der verwendeten Datenerhebungs-Tools:

Schlussfolgerungen aus der Evaluation auf Politikebene

Die verschiedenen Kategorien erlauben kombiniert einen umfassenden Blick auf den Efolg nachhaltiger Beschaffung beziehungsweise den Fortschritt zur Einführung und Verankerung von Nachhaltigkeit. Offen bleibt allerdings, wie mit Abweichungen umgegangen wird, also der sogenannten Soll-Ist-Differenz. Dementsprechend ist unklar, ob es beim reinen Beobachten bleibt oder sogar korrigierende Eingriffe realisiert werden.

Im Grundsatz folgt die vorgeschlagene Systematik dem Aufbau einer Fortschrittskontrolle im Zeitablauf. Der erste Schritt ist die Schaffung aller Voraussetzungen für eine erfolgreiche Einführung und Verankerung. Diese können in Form von Vorgaben und vorhandenen Prozessen erfasst werden.

Im nächsten Schritt gilt es, die Verfahrenstreue genauer zu betrachten und die Ergebnisse, die aus den Prozessen hervorgehen, zu evaluieren. Sind beide Stufen erfolgreich implementiert, können potenzielle Veränderung für das Gemeinwohl ermittelt werden, wie beispielsweise weniger Ressourcenverbrauch und geringere Schadstoffemissionen.

Zudem lassen sich mit den richtigen Datenerhebungsmethoden unterschiedliche Messpunkte bestimmen. Mittels einer Kombination der meistgenannten Datenerhebungsmethoden würde es sich jeweils anbieten, die Vorteile miteinander zu verbinden. Dadurch würden sich die Datensätze für unterschiedliche Kalkulationsformen und Messobjekte eignen.

Auf diese Weise können der Politik wichtige Handlungsfelder erschlossen werden, um dann steuernd einzugreifen. Fraglich ist allerdings, wem diese Rolle in Deutschland zukommen soll.

Tiefergehende Befragung der öffentlichen Auftraggeber

Eine tiefergehende Befragung der öffentlichen Auftraggeber zeigt die angewandten Messobjekte entlang der angesprochenen Kategorien. An dieser Erhebung auf der Verwaltungsebene nahmen 201 Personen aus 62 Ländern von 186 verschiedenen öffentlichen Auftraggebern teil. [5]

  • Nur 22 % von ihnen führen aktuell keine Nachhaltigkeitsmessung in ihrer Organisation durch.
  • Die Befragungsergebnisse zeigen, dass der Schwerpunkt der Fortschrittsmessung eher auf dem Einführen und Verankern entsprechender Vorgaben und Prozesse liegen.
  • Auch die Ergebnisse der angepassten Beschaffungsaktivitäten finden Anklang, jedoch wesentlich weniger als bei den nationalen Regierungen. Möglicherweise ist dies auf ein geringeres Maß an Know-how, Koordination und Kapazitäten in den öffentlichen Verwaltungen im Vergleich zu den nationalen Regierungen zurückzuführen.
  • Die Auswirkungen auf das Gemeinwohl wurden hingegen nur von einem kleinen Teil der Befragten gemessen.

Fazit der Befragung auf Verwaltungsebene: Hier besteht eindeutiger Handlungsbedarf.

Während die Politik die Zielsetzungen formuliert und die Rahmenbedingungen setzt, ist es an den öffentlichen Auftraggebern, diese Ziele in Verwaltungshandeln umzusetzen.

Indem die öffentlichen Auftraggeber den Schwerpunkt auf die Einführung und Verankerung von Vorgaben und Prozessen legen, schaffen Sie die Voraussetzungen für künftige Messstufen.

Fraglich ist noch, wie die Aspekte der Nachhaltigkeit inhaltlich auszugestalten sind. Zudem ergibt sich die Frage, wie bei Zielkonflikten gehandelt und priorisiert werden soll, wenn beispielsweise ökologische Kriterien mit sozialen Erfordernissen in Konflikt geraten.

Auch auf die Frage, auf welcher Verfahrensstufe die Kriterien einer nachhaltigen Beschaffung verankert werden sollen, scheinen die befragten öffentlichen Auftraggeber noch keine schlussendliche Antwort gefunden zu haben.

So ist festzuhalten, dass bei der Fortschrittskontrolle zum Erfolg nachhaltiger Beschaffung derzeit noch überwiegend verfahrensseitige Ansatzpunkte im Vordergrund stehen. Demgegenüber scheint als Nächstes eine stärker inhaltliche und qualitativ tiefergehende Messung erforderlich zu sein. Dies kann dann als nächste Ausbaustufe aufgefasst werden. Erst dann wird es möglich sein, das Gemeinwohl mit als Faktor einzubeziehen und in Verbindung mit den angestrebten Zielen der Nachhaltigkeit zu verwirklichen.

Somit sollten in den Ausbau des Monitorings alle 3 genannten Schwerpunkte einbezogen werden. Erst dann wird es gelingen, den vollständigen Fortschritt im Zeitablauf sichtbar zu machen.


[1] Global Review of sustainable public procurement (2017), S. 14

[2] Global Review of sustainable public procurement (2017), S. 14

[3] Global Review of sustainable public procurement (2017), S. 23

[4] Global Review of sustainable public procurement (2017), S. 25

[5] Global Review of sustainable public procurement (2017), S. 40