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Öffentliche Einkäufer und Wirtschaft: Im Dialog zur Transformation

Der Wille ist da, aber die Anbieter nicht? Ein limitierender Faktor für strengere Nachhaltigkeitskriterien in der öffentlichen Beschaffung, der im Rahmen der Fallstudienanalyse der UniBw M von einem öffentlichen Auftraggeber genannt wurde, war der Mangel oder die geringe Anzahl an Bietern, die den neuen Anforderungen gerecht werden können. Um den Markt der jeweiligen Ausschreibung nicht zu stark einzugrenzen, wurde in diesem Fall von strengeren Kriterien Abstand genommen, wodurch der Transformationsprozess hin zu einem nachhaltigeren Wirtschaften ins Stocken gerät. 
Wie lässt sich diese Dynamik von „ein Schritt vorwärts, zwei zurück“ positiv beeinflussen? Wir haben uns in diesem Kontext zwei Pioniere des nachhaltigen öffentlichen Einkaufs genauer angesehen. 

Anreize schaffen: Ludwigsburg sucht den Austausch mit den Bietern

Die Stadt Ludwigsburg gilt als Vorreiter in Sachen nachhaltige Stadtentwicklung und Beschaffung. Um dieser strategischen Entscheidung gerecht zu werden, wurde in Ludwigsburg eine Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung eingerichtet, die aktuell von Patrick Alex geleitet wird. Er ist zentraler Ansprechpartner für Nachhaltigkeitsthemen in einer ansonsten dezentral organisierten städtischen Beschaffungsstruktur. Als solcher begleitet er Vergabeverfahren von der Bedarfsanalyse bis hin zur Erstellung der Vergabeunterlagen und arbeitet kontinuierlich daran, Beschaffer wie auch den Bietermarkt für Nachhaltigkeitsthemen zu sensibilisieren.  
Seine Aufgabe besteht darin, sowohl die Vergabestellen als auch mögliche Bieter für die neuen Anforderungen der Politik zu sensibilisieren und diese konkret in die Umsetzung zu bringen. Unzureichenden Bieterzahlen aufgrund von zu eng gefassten Nachhaltigkeitskriterien greift er durch eine intensive Markterkundung zu Beginn des Prozesses vor und geht auch mal proaktiv mit Fragen und Ideen auf den Bietermarkt zu.  
Als weitere Möglichkeit den Markt nicht zu stark einzugrenzen und dennoch nachhaltige Wirtschaftspraktiken zu bevorzugen, nutzt Ludwigsburg die Möglichkeit Nachhaltigkeit in den Zuschlagskriterien zu verankern. So erhält die Anbieterseite konkrete Anreize, die eigenen Produkte und Prozesse mittelfristig der Nachfrage anzupassen. 
Im Gespräch mit dem Vergabe-Insider gibt er weitere nützliche Tipps, wie die öffentliche Beschaffung insgesamt in Richtung Nachhaltigkeit umgebaut werden kann. 

Hamburg: Im Dialog mit der Wirtschaft durch transparente Beschaffungsleitlinien

Auch die Hansestadt Hamburg setzt ihre Einkaufsmacht gezielt dafür ein, nachhaltige Produkte zu fördern und umweltschädliche Wirtschaftspraktiken zu Auslaufmodellen zu machen. Mit einem jährlichen Einkaufsvolumen von rund 250 Millionen Euro1 lässt sich mehr als eine Signalwirkung bei den bietenden Unternehmen erzielen. Beispielhaft voran geht die Stadt dabei mit ihrem Leitfaden für umweltverträgliche Beschaffung. Hier werden praxisnah Orientierungshilfen für diverse Produktgruppen gegeben, um schon bei deren Bedarfsermittlung umwelt- und ressourcenbewusster vorzugehen.

Ab Seite 124 des Leitfadens finden sich konkrete Tipps für die Beschaffung von Reinigungsleistungen: beispielsweise auf welche Inhaltsstoffe aus Umwelt- und Ressourcengründen auf jeden Fall zu verzichten ist. Und umgekehrt auch, welche Kriterien und Siegel der Umweltverträglichkeit als Bewertungs- bzw. Zuschlagskriterien herangezogen werden können. Für alle Warengruppen wird zudem stets betont, dass bei der Zuschlagserteilung nach Preis keinesfalls nur die Kosten des Produktes bzw. der Leistung an sich zu betrachten ist.  
Vielmehr ist der gesamte Lebenszyklus einzubeziehen, um die realen Kosten für Mensch und Umwelt in die Kaufentscheidung einfließen zu lassen.  
 
Die Hansestadt setzt zudem auf Dialoge mit der Wirtschaft, auch jenseits der eigentlichen Vergabeverfahren mit er Stadt als Einkäufer. Bereits vor 20 Jahren wurde das Netzwerk UmweltPartnerschaft2 ins Leben gerufen, das Unternehmen verschiedener Größen und Branchen umfasst. Gemeinsam bekennen sich diese Unternehmen zu mehr betrieblichem Umwelt- und Klimaschutz, der über die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestanforderungen hinausgeht. Die Stadt informiert und fördert die Weiterentwicklung der Betriebe auf diesem Gebiet gezielt und baut so im Dialog auch den potenziellen Bietermarkt schrittweise um. In einem Arbeitskreis mit den Wirtschaftsunternehmen wurden beispielsweise nachhaltige Einkaufskriterien erarbeitet und bestehende Herausforderungen gemeinsam diskutiert. 
 
Beide Beispiele zeigen, dass öffentliche Einkäufer davon profitieren, den aktiven Dialog mit der Wirtschaft zu fördern, um Missverständnisse und Vorbehalte gegenüber neuen und wachsenden Nachhaltigkeitsanforderungen abzubauen.

Die Bieterkonferenz als Dialogforum für nachhaltige Beschaffungen

Ein weiteres Instrument, um Vorbehalte und Missverständnisse zwischen Nachfrageseite und Bietermarkt auszuräumen, kann eine so genannte Bieterkonferenz3 sein. Um jedoch nicht gegen §97 Abs. 1 GWB zu verstoßen und einen rechtskonformen Wettbewerb zu gewährleisten, ohne dass sich konkurrierende Bieter kennenlernen und untereinander absprechen können, sollte diese Versammlung ohne Verbindung zu einer konkreten Ausschreibung durchgeführt werden. Den größeren Mehrwert für den gegenseitigen Austausch zu aktuellen Marktmöglichkeiten nachhaltiger Leistungen, bietet ohnehin der Zeitpunkt vor der Festlegung von Nachhaltigkeitskriterien in bestimmten Ausschreibungsunterlagen.


Quellen:

1 Vgl. Pressemitteilung: Einkaufsmacht für Umweltfortschritt nutzen; https://www.hamburg.de/pressearchiv-fhh/4672998/2016-01-19-bue-umweltvertraegliche-beschaffung/, aufgerufen am 14.03.2023

2 Vgl. Presseinformationen zur Umweltpartnerschaft: https://www.hamburg.de/umweltpartnerschaft/, aufgerufen m 14.03.2023

3 Vgl. evergabe.de: https://www.evergabe.de/glossar/bieterkonferenz/, aufgerufen am 14.03.2023