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Leitsätze zur Kreislaufwirtschaft vom Umweltbundesamt: Abgeleitete Empfehlungen für den öffentlichen Einkauf – Teil 1

1972 wurde mit dem „Abfallbeseitigungsgesetz“ der Grundstein für die aktuelle Recyclingwirtschaft gelegt. Heute gelten Abfälle als Ressourcen, die gezielt wiederverwendet werden.[1] Die Priorität liegt dabei auf dem Schließen von Stoffkreisen. Die Ausrichtung sowie die Inhalte einer Kreislaufwirtschaft gilt es jedoch zu konkretisieren, insbesondere vor dem Hintergrund des Aktionsplans der Europäischen Kommission für 2020.[2] Dafür gibt das Umweltbundesamt mit neun Leitsätzen Hilfestellung.

Im ersten Part dieses zweiteiligen Artikels werden die Leitsätze 1–4 behandelt, im bald folgenden Teil die Leitsätze 5–9 sowie einige Schlussfolgerungen für den öffentlichen Einkauf.

1. Leitsatz zur Kreislaufwirtschaft: Begriffseinordnung

Der erste Leitsatz beschäftigt sich mit der grundsätzlichen Begriffseinordnung der Kreislaufwirtschaft.

„Die Kreislaufwirtschaft ist Teil einer ressourceneffizienten, nachhaltigen Lebens- und Wirtschaftsweise, welche die Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen fördert und planetare Grenzen respektiert.“

Damit definiert das Umweltbundesamt die Kreislaufwirtschaft als „Teil einer Wirtschafts- und Lebensweise“ mit der die gesetzten Nachhaltigkeitsziele erreicht werden sollen. In wissenschaftlichen Untersuchungen sind verschiedene Auslegungen zu finden. So kann die Kreislaufwirtschaft auch als ökonomisches System verstanden werden, das den „end-of-life“-Gedanken ersetzt, um langfristig ökologische Qualität, soziale Gerechtigkeit und ökonomischen Wohlstand zu gewährleisten.[3] Eine Voraussetzung für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft ist die kreislauforientierte Beschaffung – insbesondere im öffentlichen Sektor, da dieser über ein hohes Beschaffungsvolumen verfügt und eine Vorreiterrolle einnimmt.

2. Leitsatz zur Kreislaufwirtschaft: Geltungsbereich

Der zweite Leitsatz zur Kreislaufwirtschaft behandelt deren Geltungsbereich – sowohl innerhalb als auch außerhalb der Lieferkette.

„Die Kreislaufwirtschaft bezieht über die klassische Abfallwirtschaft hinaus alle Phasen von Material- und Produktlebenszyklen in die Betrachtung mit ein. Sie muss global, inklusive der grenzüberschreitenden Rohstoff-, Waren- und Abfallströme und damit verbundener ökologischer und sozialer Auswirkungen sowie in langfristiger zeitlicher Perspektive der Güterbestände und daraus hervorgehender Materialflüsse betrachtet werden.“

Eine lediglich lokale Betrachtung kreislaufwirtschaftlicher Aspekte greift bei global ausdifferenzierten Liefer- und Wertschöpfungsketten zu kurz. So gilt es auf Produktebene den gesamten Lebenszyklus ins Auge zu fassen. Denn für die Kreislaufwirtschaft spielen sowohl die Herkunft als auch die Entsorgung eine Rolle.[4] Gleichzeitig bieten sich für öffentliche Auftraggeber entlang des gesamten Beschaffungsprozesses Potenziale. Denn mit Nachhaltigkeitskriterien bei der Vergabe und nachhaltiger Lieferkettengestaltung können wesentliche Beiträge geleistet werden.[5] Auch wenn die Implementierung neuer Kriterien in den Beschaffungsprozess nicht kurzfristig umsetzbar ist und zunächst einen Mehraufwand darstellt, können derartige Maßnahmen auf lange Sicht die ökologische und finanzielle Bilanz der Auftraggeber positiv beeinflussen.[6]

3. Leitsatz zur Kreislaufwirtschaft: Ziele

Der dritte Leitsatz beschreibt die inhaltlichen Ziele, die erreicht werden sollen.

„Die Kreislaufwirtschaft dient der Schonung natürlicher Ressourcen einschließlich des Klimaschutzes, dem Schutz der Umwelt und der menschlichen Gesundheit unter Berücksichtigung des Vorsorgeprinzips. Darüber hinaus zielt sie auf die Rohstoffsicherung ab. Die Kreislaufwirtschaft soll zur Reduzierung der lebenszyklusweiten negativen Auswirkungen sowohl von Materialien und Produkten – durch Einsparung von Primärmaterialien und deren Substitution mit Sekundärmaterialien – als auch der Abfallerzeugung und Abfallbewirtschaftung beitragen.“

Demnach verfolgt die Kreislaufwirtschaft simultan mehrere Ziele, welche nicht immer miteinander im Einklang stehen. Das Nachhaltigkeitsziel der Energieeinsparung könnte beispielsweise aufgrund der steigenden Zirkularität durch Wiederaufbereitungen negativ beeinflusst werden. Um hier die Balance zu halten, sind Indikatoren für den optimalen Grad der Zirkularität erforderlich. Zudem braucht es präzise Definitionen und darauf basierende Indikatoren-Sets, damit entsprechende Maßnahmen eingeführt und deren ökologische Auswirkungen effektiv gemessen werden können.[7] Im besten Fall sollten öffentliche Einkäufer jedoch so viele Ziele wie möglich mit geeigneten Vergabekriterien unterstützen.

4. Leitsatz zur Kreislaufwirtschaft: Aufwandsmaßstab

Der vierte Leitsatz betrifft den Aufwandsmaßstab, der angibt, wann die Einführung von Maßnahmen sinnvoll und zweckmäßig ist.

„Der Aufwand für Maßnahmen in einer Kreislaufwirtschaft soll sich am Aufwand der Primärrohstoffwirtschaft mit den dabei auftretenden Umweltwirkungen inklusive der externen sozialen und ökologischen Belastung bemessen, um die gleichen Materialien oder Materialien und Güter gleichen Nutzens bereitzustellen.“

Um die darin angesprochene Problematik der konkurrierenden Ziele und der Messbarkeit zu lösen, braucht es einen zur Orientierung dienenden Aufwandsmaßstab, wann Kreislaufwirtschaft sinnvoll ist. Dabei sollte der gesamtwirtschaftliche Aufwand, der durch die Aktivitäten der linearen beziehungsweise zirkulären Wirtschaftsweise weltweit verursachten Umweltschädigungen gemessen werden. Neben den betriebswirtschaftlichen Kosten gehören auch die externen Kosten wie die Verschlechterung der Ökosysteme dazu. Diese sollten möglichst monetarisiert und verursachergerecht internalisiert werden, also dem Verursacher und nicht der Gesellschaft zugeordnet werden. Übersteigt der Aufwand der linearen Wirtschaftsweise den einer zirkulären Wirtschaftsweise, sind im entsprechenden Bereich Maßnahmen einzuführen. So kann es vorkommen, dass sich kreislaufwirtschaftliche Maßnahmen als betriebswirtschaftlich unrentabel, aber ökonomisch wertvoll erweisen. Solche Veränderungen erfordern jedoch Anpassungen der ökonomischen Rahmenbedingungen durch den Staat, um eine verursachergerechte Kostenzuordnung zu ermöglichen. Bisher ist eine faire Einschätzung der Zumutbarkeit der Einführung von Kreislaufwirtschaft kaum möglich.[8] Zudem sollte diskutiert werden, inwieweit der vierte Leitsatz mit dem dritten Leitsatz vereinbar ist.

Welche Leitsätze darüber hinaus entwickelt wurden und welche Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen hieraus für den öffentlichen Einkauf gezogen werden können, folgt im zweiten Teil des Artikels.


[1] Bundesministerium für Umwelt Naturschutz und nukleare Sicherheit (2015). Vermeiden, verwerten, beseitigen – der Umgang mit Abfall. Abgerufen unter: https://www.umwelt-im-unterricht.de/hintergrund/vermeiden-verwerten-beseitigen-der-umgang-mit-abfall/ (09.12.2020)

[2] Europäische Kommission (2020). Mitteilung der Kommission an das europäische Parlament, den Rat, den europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen. Ein neuer Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft für ein sauberes und wettbewerbsfähigeres Europa. Brüssel 2020.

[3] Kirchherr, J., Reike, D., Hekkert, M. (2017). Conceptualizing the circular economy: An analysis of 114 definitions. In: Resources, Conservation and Recycling, 127, S. 221-232.

[4] Umweltbundesamt (2020). Leitsätze einer Kreislaufwirtschaft.

[5] Igarashi et al. (2015). Investigating the anatomy of supplier selection in green public procurement. In: Journal of cleaner production, 108, S. 442-450.

[6] Golicic, S. L., Smith, C. D. (2013). A meta-analysis of environmentally sustainable supply chain management practices and firm performance. In: Sustainable Supply Chain Management Practices and Performance, 49, S. 78-95.