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Der Begriff der Nachhaltigkeit in der öffentlichen Vergabe – das sollten Sie wissen

Das Thema Nachhaltigkeit wird aktuell aus unterschiedlichen Blickwinkeln diskutiert. Politik, öffentliche Auftraggeber, bietende Unternehmen und Wertschöpfungsketten sowie die Wissenschaft beteiligen sich an der laufenden Diskussion zur Frage: Was genau ist unter dem Begriff der Nachhaltigkeit in der öffentlichen Vergabe zu verstehen?

Auch wenn die begriffliche Vielzahl und Vielfalt zum Thema Nachhaltigkeit überwältigend erscheint, bieten die unterschiedlichen Perspektiven auch einen Spielraum für ein erweitertes, eigenes Verständnis von „Nachhaltigkeit“.

Nachhaltigkeit, im Grunde nichts Neues

Hans Carl von Carlowitz hat den Begriff der Nachhaltigkeit bereits im frühen 18. Jahrhundert im deutschen Forstwesen wesentlich geprägt. Vor dem Hintergrund der schonungslosen Abholzung der Waldbestände für die Energiegewinnung, den Bergbau und für den Schiffsbau sprach er in der Sylvicultura oeconomica[1]erstmalig von der nachhaltigen Bewirtschaftung des Waldes.

Dabei sollte pfleglich mit dem Waldbestand umgegangen werden und nur so viel Holz entnommen werden wie nachwächst. Dahinter verbarg sich im Wesentlichen die Sorge, dass die zur Verfügung stehende Menge an Holz zukünftig nicht ausreichen könnte, um den Holzbedarf zu decken. Hier ging es also eher um ökonomische als um ökologische oder gar soziale Überlegungen beim Begriff der Nachhaltigkeit.

Die Entwicklung des Verständnisses von Nachhaltigkeit

Über die Jahre hat sich das Verständnis von Nachhaltigkeit weiterentwickelt. Die Geburtsstunde der modernen Nachhaltigkeitsdiskussion wird dabei mit der Veröffentlichung des Berichtes der „World Commission on Environment and Development“ mit dem Titel „Our Common Future“ im Jahr 1987 gesehen.[2]

Der Bericht der sogenannten „Brundtland-Kommission“ (die Vorsitzende der Kommission war die Norwegerin Gro Harlem Brundtland) beschäftigte sich im Kern mit der Idee einer nachhaltigen und generationenübergreifenden Entwicklung. In dieser sollten die ökonomischen, sozialen und ökologischen Entwicklungsziele der Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen in Einklang gebracht werden.

Die Entwicklung eines Mitgliedsstaates wurde dann als nachhaltig betrachtet, wenn die Bedürfnisse aller gegenwärtig lebenden Menschen befriedigt werden können, ohne die Möglichkeiten zukünftiger Generationen zur Bedürfnisbefriedigung zu gefährden.

Neu geprägt wurde der Begriff dann in den 1990er Jahren von John Elkington. Dieser hat den „triple-bottom-line“-Ansatz[3] eingeführt, bei dem ökonomische, soziale und ökologische Ziele gleichrangig behandelt werden sollen. Dieser Ansatz zum Begriff der Nachhaltigkeit gilt dabei auch bei privatwirtschaftlich handelnden Unternehmen.

Der moderne Nachhaltigkeitsbegriff verfolgt 3 Ziele

Die Berücksichtigung aller drei Ziele der Nachhaltigkeit findet sich für den Wirtschaftsraum Europa in der Mitteilung der Europäischen Kommission vom 15.5.2001 für die „Nachhaltige Entwicklung in Europa für eine bessere Welt: Strategie der Europäischen Union für die nachhaltige Entwicklung“ wieder.[4]

In der Mitteilung wurde die Strategie zur nachhaltigen Entwicklung Europas und seiner Mitgliedsstaaten explizit um Aspekte des Umweltschutzes ergänzt, sodass Wirtschaftswachstum und sozialer Zusammenhalt mit den Erfordernissen des Umweltschutzes Hand in Hand gehen.

Dabei sollen öffentliche Auftraggeber aufgrund ihrer Vorbildfunktion und ihres großen wirtschaftlichen Hebels eine herausgehobene Rolle bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien haben. Dieser Standpunkt wurde so erstmals im Bericht der Vereinten Nationen zum Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung im Dezember 2002 in Johannesburg festgehalten.[5]

Darin wird explizit gefordert, dass alle Behörden (national, regional und lokal) bei der Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie mithelfen sollen. So werden öffentliche Auftraggeber dazu ermutigt, ökologische Aspekte der Nachhaltigkeit bei ihren Beschaffungsvorhaben explizit einzufordern und umzusetzen.

Der Begriff der Nachhaltigkeit in den europäischen Vergaberichtlinien

Mittlerweile haben die Aspekte der Nachhaltigkeit (sozial, ökologisch und ökonomisch) Eingang in die europäischen Vergaberichtlinien gefunden. So steht in den Vergaberichtlinien der Europäischen Kommission (Erwägungsgrund 123, 2014/24/EU), dass Umweltschutz- und Innovationsaspekte sowie soziale Aspekte eine wichtige Rolle spielen müssen, damit die Ziele für ein intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum in Europa erreicht werden können.

Hier wird der Begriff der Nachhaltigkeit in der öffentlichen Vergabe auch explizit mit dem Begriff Innovation kombiniert. Der Grund dafür ist, dass kreative Ideen gebraucht werden, wenn die Aspekte der Nachhaltigkeit umgesetzt werden sollen. Darüber hinaus haben Innovationen auch eine herausragende Rolle für das wirtschaftliche Wachstum. Dementsprechend wurden damit die im Jahr 2016 gelegten Grundlagen in nationales Recht und somit in die nationale Vergabeverordnung überführt.

Nachhaltigkeit in der öffentlichen Vergabe – ein sich entwickelnder Begriff

Auch wenn der Begriff Nachhaltigkeit nicht neu ist, so entwickelt sich das Verständnis hinter dem Nachhaltigkeitsbegriff doch stetig weiter. Beim modernen Konzept darf Nachhaltigkeit nicht mehr nur aus einem Blickwinkel betrachtet werden. Vielmehr müssen ökonomische, soziale und ökologische Kriterien gleichrangig betrachtet werden.

Daraus entwickelt sich ein immer tieferes Verständnis des Begriffs der Nachhaltigkeit in der öffentlichen Vergabe. Damit wird zugleich auch ein Grundstein für weitere, eigenständige Überlegungen geschaffen.

So sollte der Begriff der Nachhaltigkeit in der öffentlichen Vergabe möglichst umfassend unter sozialen, ökonomischen und ökologischen Gesichtspunkten betrachtet werden.


Literaturverzeichnis

[1] Elkington, J. (1997). Cannibals with forks: the triple bottom line of 21st century business. Oxford: Capstone.

[2] Kommission der europäischen Gemeinschaften (2001). Mitteilung der Kommission. Nachhaltige Entwicklung in Europa für eine bessere Welt: Strategie der Europäischen Union für die nachhaltige Entwicklung, Brüssel.

[3] Vereinte Nationen (2002). Bericht des Weltgipfels für nachhaltige Entwicklung. Johannesburg.

[4] Von Carlowitz, H.C. (1713). Sylvicultura oeconomica. Leipzig: Braun.

[5] World Commission on Environment and Development (WCED) (1987). Our common future. Oxford: Oxford University Press.