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Zukunftsfähige Verpackungen im Fokus: Ein Rückblick auf den C2C Kongress

Auf der zweiten Etappe des Cradle to Cradle Kongresses am 07. September lenkten die Veranstalter den Blick nach Mainz. Moderiert von den C2C Expert*innen und Co-Gründer*innen der Cradle to Cradle NGO, Nora Sophie Griefhahn und Tim Janßen, kamen in der digitalen Konferenz Vordenker und Macher zum Thema “Plastics & Packaging for Tomorrow” zu Wort – und in den Austausch miteinander.

Grußworte kamen von der Mainzer Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz, der rheinland-pfälzischen Staatssekretärin für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität, Katrin Eder und Svenja Schulze, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit. Die Politikerinnen stellten Herausforderungen auf dem Weg zur nachhaltigen Transformation dar und zeigten zugleich inspirierende Ansätze für eine Transformation der (Abfall-) Wirtschaft auf institutioneller und zivilgesellschaftlicher Ebene – von regional bis national.

Wie können Lösungen konkret aussehen? Drei Vorreiter geben Ideen

Welche neuen Materialien und Technologien dabei eine Schlüsselrolle spielen und wie konkrete Lösungen aussehen können, wurde im anschließenden Panel diskutiert.

Die IFCO Systems GmbH, vertreten durch CEO Michael Pooley, beispielsweise setzt seit fast 30 Jahren wiederverwendbare Container für Obst und Gemüse zur Müllvermeidung im Lebensmittelhandel ein. Ein Erfolgsmodell, dem sich bislang bereits Kunden aus mehr als 50 Ländern angeschlossen haben. Obgleich hier erdölbasiertes Plastik verwendet wird, trägt das Unternehmen dem Anspruch der Nachhaltigkeit mit einem komplett wertverlustfreien Kreislaufsystem Rechnung.

Aus der Mitgliedschaft im Cradle to Cradle Netzwerk heraus entstand die Idee zum Start-Up Business von Dr. Anne Lamp: Wie sie betont, landet 40 % des Plastiks, das weltweit im Umlauf ist, früher oder später in der Umwelt. Um diese Verschmutzung zu reduzieren, entwickelte ihr Unternehmen ein alternatives Rohmaterial für Kunststoff aus Nebenprodukten der Landwirtschaft.

Reinhard Schneider, Preisträger des Deutschen Umweltpreises 2019 für seine ganzheitlich nachhaltige Firmenausrichtung, repräsentierte als Geschäftsführender Gesellschafter der Werner & Mertz GmbH eines der Vorreiter-Mitglieder aus dem C2C Netzwerk. In ihrer Branche der Reinigungs- und Kosmetikprodukte arbeitet das Familienunternehmen Werner und Mertz, zu dem u.a. die Marken Frosch und Green Care Professional gehören, seit Jahren daran, Wertstoffkreisläufe für Produktverpackungen zu perfektionieren. Bereits 2013 wurden 100 % der Produktverpackungen aus recycelten Pfandflaschen hergestellt. Doch damit wollte man sich nicht begnügen: Mit dem Wissen, dass ein Großteil des Verpackungsmaterials aus dem „Gelben Sack“ noch immer in der Müllverbrennung landet, bemüht sich das Unternehmen seither darum, einen möglichst großen Anteil ihres Recyclats aus dieser Quelle zu entnehmen.

Die Reinigungsmittelindustrie stellt besondere Ansprüche an die Verpackungsmaterialien, wie Reinhard Schneider erläutert. So muss die Verpackung von Reinigungsmitteln auch eine Barrierefunktion für etwa Desinfektionsmittel oder entstehende Gase erfüllen. Daher setzt das Unternehmen bis auf Weiteres auf das mechanische Recycling von herkömmlichem Plastik, perfektioniert dieses allerdings und nimmt so eine unternehmerische Vorreiterrolle ein.

Wie Reinhard Schneider berichtet, können mittlerweile 50 % des Recyclats aus dem „Gelben Sack“ gewonnen werden – die restlichen 50 % weiterhin aus Pfandflaschen. Das Engagement wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Cradle to Cradle Innovation Award in New York.

Doch das Innovationsstreben in Richtung Nachhaltigkeit ist damit nicht beendet: Auch in der Kosmetikbranche, wo bisher Recyclingverpackungen so gut wie keine Rolle spielten, bietet Werner und Mertz seit 2019 Produkte in Verpackungen aus 100 % Recyclat aus dem „Gelben Sack“ an. Neuste Innovation sind vollständig recycelbare Nachfüllbeutel, was von der C2C NGO mit dem „C2C Gold Standard“ gewürdigt wurde.

Rechtlicher Rahmen: Deutschland hinkt der EU hinterher

In einer virtuellen Fragerunde hatten Kongressteilnehmer anschließend die Gelegenheit, sich mit den Gästen des Panels direkt zu den unterschiedlichen Geschäftsmodellen und den vielfältigen Ansätzen für einen nachhaltigeren Umgang mit Verpackungen auszutauschen.

Was die rechtlichen Rahmenbedingungen angeht, stellen die Experten konkrete Forderungen an die Politik: Reinhard Schneider kritisiert scharf, dass die Verwendung von sogenanntem „virgin plastic“ (neu produziertes Plastik aus Rohöl) von der Bundesregierung weiterhin subventioniert wird, wohingegen der Einsatz von Rohöl sonst stark besteuert wird. Das mache die Verwendung von Neuplastik in Deutschland weiterhin verführerisch günstig. Er begrüße den europäischen Gesetzesentwurf, die Verursacher von Neuplastik durch Steuern in die Verantwortung zu nehmen, statt, wie in Deutschland, diese Steuerbelastung auf die Verbraucher umzuwälzen. Umgekehrt sollte der Gebrauch von Recyclingprodukten mit wirtschaftlichen Anreizen unterstützt werden. Von Produzentenseite seien für ein effizientes Recyclingsystem ein paar Regeln für das Produktdesign einzuhalten, aber auch die ließen sich kreativ lösen: Statt farbigem Plastik, das so nicht mehr wertverlustfrei recycelt werden kann, könne man mit Lebensmittelfarbe das eigentliche Produkt (in dem Fall das Reinigungsmittel) färben oder eine farbige Manschette um die farbfreie Plastikverpackung designen. Die notwendigen Investitionen und Innovationen würden natürlich dadurch gehemmt, das Neuplastik immer noch so günstig zu produzieren sei.

Auch andere große Unternehmen zeigen immer mehr Interesse an nachhaltigen Verpackungslösungen. Die Otto Gruppe arbeitet dafür mittlerweile mit dem Startup traceless von Dr. Anne Lamp zusammen. Ihrer Meinung nach liegt der Grund dafür einmal darin, dass Unternehmen sich ihres Einflusses in dem Bereich bewusst werden, was auch durch die neuen EU-weiten Richtlinien zu Plastik und vor allem immer besser informierte Kunden angeschoben werde.

Appell an die Politik: Verbindlich machen, was Verbraucher längst fordern

Und wenn jeder der drei einen Wunsch dazu frei hätte beim deutschen Gesetzgeber? Dr. Anne Lamp würde sich entschiedenes, konkretes Handeln wünschen, bei dem alle Arten der hier vorgestellten Lösungen – Wiederverwendung, mechanisches und biologisches Recycling  – gleichermaßen zugelassen und weiterentwickelt werden.

Michael Pooley sieht Handlungsbedarf, wie bereits vorher von Herrn Schneider thematisiert, in der Besteuerung schädlicher und in der finanziellen Unterstützung nachhaltiger Lösungen. Reinhard Schneider schließt den Austausch mit dem Wunsch, dass der Gesetzgeber den Mut aufbringen solle, rechtlich verbindlich zu machen, was Verbraucher mit ihrem Konsumverhalten bereits einfordern: Das überholte Cradle to Grave Prinzip endlich flächendeckend durch nachhaltige Cradle to Cradle Lösungen abzulösen.