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Professionalisierung des öffentlichen Einkaufs: Fähigkeiten öffentlicher Einkäufer – was künftig vorausgesetzt wird

Die Europäische Kommission arbeitet zusammen mit der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers (PWC) an einer Zusammenstellung von Fähigkeiten, die im öffentlichen Einkauf künftig notwendig werden. Im sogenannten „European Competency Framework for Public Buyers“ werden 30 Fähigkeiten identifiziert, welche auf verschiedene Bereiche abzielen. Dazu gehören unter anderem Kompetenzen wie Soft-Skills, Projektmanagement oder ganz konkret die Ablauforganisation eines Beschaffungsvorhabens.[1]

Diese Zusammenstellung der Fähigkeiten von öffentlichen Einkäufern liegt der Universität der Bundeswehr aktuell noch als Vorversion vor, soll jedoch künftig als Dokument in allen Landessprachen der Europäischen Union zugänglich sein. Besonders interessant ist, dass diese Liste der zukünftig wichtigen Fähigkeiten öffentlicher Einkäufer auch explizite Hinweise zur künftigen Rolle von Nachhaltigkeitsaspekten beinhaltet.

Fähigkeiten im Bereich der nachhaltigen Beschaffung

Von den insgesamt 30 definierten Fähigkeiten, die für die öffentlichen Einkäufer in Zukunft relevant sein sollen, beschäftigen sich vier direkt oder zumindest indirekt mit dem Thema Nachhaltigkeit (Sustainability). Dazu gehören Fähigkeiten:

  1. zur Planung eines Beschaffungsvorhabens (planning)
  2. zur Durchdringung der Wertschöpfungskette sowie des Lebenszyklus eines Beschaffungsvorhabens (lifecycle)
  3. zur Berücksichtigung rechtlicher Rahmenbedingungen (legislation)
  4. zur nachhaltigen Beschaffung selbst (sustainable procurement)

Um künftig erfolgreich nachhaltig beschaffen zu können, müssen öffentliche Einkäufer also verschiedene Kenntnisse und Fertigkeiten mitbringen oder sich diese Qualifikationen entsprechend aneignen.

Fähigkeit zur Planung eines Beschaffungsvorhabens

Die Fähigkeit zur Planung eines Beschaffungsvorhabens beinhaltet die Bewältigung aller Aufgaben, bei denen die Ziele der Organisation und die Anforderungen der Bedarfsträger in einen sinnvollen Gesamtplan überführt werden. Damit dies erfolgreich umgesetzt werden kann, braucht es natürlich Einblicke in die Ziele der Organisation sowie Haushaltspläne und Budgets. Darüber hinaus werden auch Kenntnisse über politische Zielsetzungen und nationale Maßnahmenpläne benötigt.

Für eine erfolgreiche Planung sollten öffentliche Einkäufer immer konstruktiv hinterfragen, ob und in welchem Ausmaß ein Beschaffungsvorhaben notwendig ist und zudem die unterschiedlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten im Blick haben. Bereits ein Verzicht oder eine sparsame Beschaffung können zu einer verbesserten Nachhaltigkeit beitragen. Ebenso sollten die wesentlichen Stellschrauben zur Optimierung des Beschaffungsvorhabens bekannt sein. Dazu gehören beispielsweise auch die Bewertung von Chancen und Risiken sowie eine Einschätzung darüber, inwieweit das Beschaffungsvorhaben einen Beitrag zu den gesellschaftlichen Gemeinwohlzielen leistet.

Verständnis von Wertschöpfungsketten und Lebenszyklen

Eine weitere Fähigkeit, die für öffentliche Einkäufer in Zukunft wichtig sein wird, ist das eingehende Verständnis für Wertschöpfungsketten und Lebenszyklen. Dafür müssen Wertschöpfungsstrukturen und deren Zusammenhänge hinterfragt werden. Für die nachhaltige Beschaffung lassen sich dann Anforderungen an das Zuliefernetzwerk, wie z. B. Regularien für den Ausstoß schädlicher Emissionen oder den Wasserverbrauch, ermitteln und formulieren. Hier spielt auch Verständnis für den Lebenszyklus von Produkten eine wesentliche Rolle. Mit dem Wissen über die Lebenszyklusphasen können Anforderungen an das Material, die Inhaltsstoffe und an die Möglichkeit der Weiterverwendung und Verwertung gestellt werden. Nur mit diesem Wissen kann dann letztlich eine Einschätzung zu den Lebenszykluskosten und der Lebenszykluswirtschaftlichkeit getroffen werden.

Kenntnisse über rechtliche Rahmenbedingungen

Für öffentliche Einkäufer wird es immer wichtiger, die rechtlichen Rahmenbedingungen sowohl auf europäischer als auch nationaler und regionaler Ebene zu kennen. Dazu zählen grundsätzliche Regelungen und Gebote in der öffentlichen Beschaffung sowie spezielle Voraussetzungen für die Nachhaltigkeit. Hier spielen das Wettbewerbsrecht, Umwelt-, Sozial- und Arbeitsgesetze, Haushalts- und Rechnungslegungsvorschriften sowie internationale Verpflichtungen eine Rolle. Nur mit Kenntnissen zur Gesetzgebung lassen sich Auswirkungen auf die Lieferkette und den Lebenszyklus verstehen und gestalten.

Nachhaltigkeit als eigene Kategorie

Der Aspekt der Nachhaltigkeit bekommt von der Europäischen Kommission sogar eine eigene Kategorie, was die vorgeschlagenen Fähigkeiten für öffentliche Einkäufer angeht. Hier wird also erwartet, dass sich der öffentliche Einkauf intensiv mit den Initiativen der Europäischen Union wie „Green Public Procurement (GPP)“, „Circular Economy“ oder die Initiativen zum verantwortungsbewussten öffentlichen Beschaffungswesen (SRPP = socially-responsible public procurement) auseinandersetzt. Zudem müssen die öffentlichen Einkäufer die aktuellen Entwicklungen bei den Umwelt- sowie Sozialstandards kennen und zudem wissen, wie die dort formulierten Anforderungen in die Beschaffungsvorhaben einfließen können. Hier wird hervorgehoben, dass Nachhaltigkeitsstandards nicht nur in den Bekanntmachungsunterlagen festgehalten werden sollten, sondern auch bei der Vertragserfüllung überwacht und gegebenenfalls korrigiert werden müssen. Dabei ist es besonders wichtig, dass passende Maßnahmenkataloge frühzeitig bekannt sind.

Unterschiedliche Erfahrungsstufen von den Grundlagen bis zum Expertenstatus

Eine Besonderheit der Zusammenstellung der Europäischen Kommission zu den künftigen Fähigkeiten der öffentlichen Einkäufer ist, dass für jede der 30 Fähigkeiten vier unterschiedliche Erfahrungsstufen festgelegt wurden:

  • Grundlagen (basic)
  • Mittel (intermediate)
  • Erweitert (advanced)
  • Experte (expert)

Diese vier Erfahrungsstufen sind genau definiert und sollen es den Einkaufsorganisationen und handelnden Einkäufern ermöglichen, Rollenprofile, Karriere- und Entwicklungspfade festzulegen. Dazu ist beispielsweise die Bereitstellung eines systematischen Fragenkataloges zur Eigeneinschätzung erreichter Fähigkeiten und Erfahrungsstufen angedacht.

Darauf basierend soll es dann verschiedene Maßnahmen und Trainings zur Verbesserung der individuellen Fähigkeiten des Einkäufers geben. Ein entsprechender Vorschlag zu diesen Trainings wird von der EU auf Basis des aktuellen Entwurfs zum „Generic Training Curriculum“ veröffentlicht.


[1]https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=CELEX:32017H1805&rid=8